VCÖ-Factsheet: Personenmobilität auf Klimakurs bringen

Um das globale Klimaübereinkommen einzuhalten, ist in Österreich im Verkehrsbereich noch sehr viel zu tun. Jene Faktoren, die den Umstieg zu klimaverträglicher Mobilität erleichtern und fördern, gilt es zu stärken. Barrieren für das Erreichen der Klimaziele sind abzubauen.

VCÖ-Factsheet 2017-03 als PDF (0,5MB)

Das UN-Klimaabkommen von Paris bedeutet den weltweiten Ausstieg aus fossilen Energieträgern, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Dazu ist weitgehende Dekarbonisierung des Verkehrs nötig – auch in Österreich. Aufgrund bereits heute vorhandener Lösungen ist dieses Ziel in der Personenmobilität rasch zu erreichen. Derzeit entwickeln sich die Treibhausgas-Emissio-nen des Verkehrs noch in die falsche Richtung. Im Jahr 2015 verursachte der Verkehr um rund 60 Prozent mehr klimaschädliche Gase als im Jahr 1990. Der Pkw-Verkehr ist dabei für mehr als die Hälfte der rund 22 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich.

Klimaschutz nur mit Mobilitätswende möglich

Im Öffentlichen Verkehr ist die Elektrifizierung von Bussen und Bahnen zu beschleunigen. In der Schweiz ist bereits das gesamte Bahnnetz elektrifiziert, in Österreich erst 71 Prozent.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte haben zu einem Anwachsen des Verkehrsaufwands geführt, insbesondere des Pkw- und Flugverkehrs. Die politischen Rahmenbedingungen hinken den Bekenntnissen zur Förderung einer klimaverträglichen Mobilität hinterher.

Die bisher von der Regierung beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Klima-ziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Neben der Reduktion des Verkehrsaufwandes sind die Verlagerung auf Öffentlichen Verkehr, Radfahren und Gehen sowie die Elektrifizierung des Verkehrssystems zu forcieren.

Im Jahr 2015 betrug der Anteil des Verkehrs an den gesamten Treibhausgas-Emissionen Österreichs 28 Prozent. Während vergleichbare Sektoren, wie etwa die Raumwärme, die klimaschädlichen Emissionen im vergangenen Vierteljahrhundert deutlich reduziert haben, sind jene des Verkehrs mit Abstand am stärksten gestiegen. Die Treibhausgas-Emissionen des Inland-Autoverkehrs (ohne Kraftstoffexport durch „Tanktourismus“) sind seit dem Jahr 1990 um 34 Prozent auf 11,3 Millionen Tonnen gestiegen.

Derzeit kommt Verkehr vom Klimakurs ab

Pro Werktag legt die Bevölkerung in Österreich rund 275 Millionen Kilometer zurück, etwa ein Drittel mehr als im Jahr 1995, obwohl die Bevölkerungszahl im gleichen Zeitraum nur um acht Prozent zugenommen hat. Im Jahr 2015 betrug die Flächeninanspruchnahme des Verkehrs in Österreich bereits 2.065 Quadratkilometer, rund 28 Prozent mehr als noch im Jahr 1990.

Die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrs in Österreich stammen fast ausschließlich aus dem Kfz-Verkehr. Um das UN-Klimaabkommen zu erfüllen, sind die CO2 Emissionen des Verkehrs bis zum Jahr 2050 massiv zu reduzieren.

Österreichs Verkehrs- und Infrastrukturpolitik geht von einem weiteren Zuwachs des Personenverkehrsaufkommens um 25 Prozent bis zum Jahr 2030 aus. Gleichzeitig strebt Österreich zur Einhaltung des UN-Klimaschutzabkommens bis zum Jahr 2050 einen weitgehend CO2-neutralen Gesamtverkehr an. Das ist nur zu erreichen, wenn Energiebedarf und CO2-Ausstoß sinken, indem nicht-emissionsfreier Verkehrsaufwand vermieden, auf klimaverträgliche Verkehrsmittel verlagert und der verbleibende Pkw-Verkehr elektrifiziert wird.

Bestandsaufnahme zeigt große Potenziale

Gemessen an der Anzahl der Wege zeigt sich in Österreich im Vergleich zum Jahr 1995 eine sehr deutliche Verschiebung vom Gehen (minus 35 Prozent) hin zum Pkw-Verkehr (plus 22 Prozent), außerdem zum Radfahren (plus 16 Prozent) und auch zum Öffentlichen Verkehr (plus sieben Prozent).

Der Verkehrsaufwand – also die Anzahl der Kilometer, die zurückgelegt werden, um die Alltagsziele zu erreichen – ist in den vergangenen 20 Jahren gestiegen. Während im Jahr 1995 Österreichs Bevölkerung im Schnitt 35 Kilometer pro Person und Tag zurücklegte, sind es heute bereits rund 41 Kilometer. Die Zahl der Wege ist etwa gleich geblieben. Zersiedelung sowie die Errichtung von Betrieben und Einkaufszentren außerhalb der Orte haben ihre Spuren hinterlassen. Der theoretisch mögliche Zeitgewinn durch die Beschleunigung des Verkehrssystems ist durch längere Distanzen wieder zunichte gemacht worden. Die Zeit, die täglich für Alltagswege aufgewendet wird, ist seit Jahrzehnten konstant.

Mehr Autos und weniger Kilometer pro Pkw

Zahlreiche Entwicklungen der vergangenen Jahre behindern das Erreichen der Klimaziele. Die Pkw wurden schwerer, die Motoren stärker, während immer weniger Insassen im Auto mitfahren. Der reale Spritverbrauch sinkt hingegen kaum.

Die mit dem Pkw gefahrenen Kilometer sind seit dem Jahr 1995 um 30 Prozent auf fast 195 Millionen Kilometer pro Werktag gestiegen. Die Zahl der Pkw ist von 3,6 auf 4,8 Millionen gestiegen. Auch die privaten Haushalte besitzen immer mehr Autos, deren jährliche Kilometerleistung sinkt jedoch Jahr für Jahr. Mehr Pkw stehen zunehmend ungenützt herum und sind im Schnitt weniger als eine Stunde im Einsatz. Das globale Klima wird auch bereits bei der Herstellung von Fahrzeugen belastet.

Autos werden zunehmend schwerer, haben aber immer weniger Insassen

Das Erreichen der Klimaziele wird auch dadurch behindert, dass Effizienzgewinne bei den Motoren durch zunehmend schwerere Pkw mit höherer Motorleistung zunichte gemacht werden. Gleichzeitig fahren immer weniger Insassen im Auto mit. Im Jahr 1990 saßen im Schnitt in 100 Pkw noch 140 Personen, heute sind es nur mehr 115 Personen.

Zudem sinkt der Treibstoffverbrauch der Pkw nur auf dem Papier deutlich. Der reale Verbrauch beispielsweise der neuen Diesel-Pkw ist heute etwa gleich hoch wie der reale Verbrauch der Neuwagen im Jahr 2000.

Viele kurze Autofahrten in Österreich

Sieben Prozent der Autowege sind kürzer als ein Kilometer, weitere 35 Prozent liegen im Bereich von ein bis fünf Kilometer. Insgesamt sind zwei Drittel aller Pkw-Fahrten kürzer als zehn Kilometer. Würden alle privaten Pkw-Fahrten bis fünf Kilometer in Österreich auf das Fahrrad oder den Öffentlichen Verkehr verlagert, würde dies die CO2-Emissionen des Verkehrssektors um etwa acht Prozent reduzieren. Großes Potenzial gibt es bei den Arbeitswegen, die in Österreich zu 60 Prozent mit dem Pkw zurückgelegt werden. 37 Prozent der Beschäftigten wohnen weniger als fünf Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt, doch nur 14 Prozent der Wege werden zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Zahlreiche Befragungen haben ergeben, dass die Bereitschaft der Bevölkerung kurze Autofahrten auf das Fahrrad zu verlagern, gegeben ist. Entscheidend dafür ist eine verbesserte Infrastruktur für das Radfahren, Verkehrsberuhigung in den Städten sowie Abkürzungen etwa durch die Öffnung von Einbahnen für das Radfahren und kürzere Wartezeiten bei Ampeln durch den Grünpfeil für das Rechtsabbiegen. 

Fernverkehr mit derzeit schlechter Klimabilanz

Es besteht ein Trend zur mulimodalen Mobilität. Die Kombination verschiedener Verkehrsmittel ist zu erleichtern.

27 Prozent aller in Österreich zurückgelegten Kilo-meter entfallen auf jene zwei Prozent der Wege, die länger als 100 Kilometer sind. 70 Prozent dieses Verkehrsaufwandes entfallen auf das Auto, sechs Prozent auf das Flugzeug und 24 Prozent auf öffentliche Verkehrsmittel, inklusive Reise- und Fernbus. Viele dieser Langstrecken können schon heute mit der Bahn gefahren werden. Für die nahe Zukunft braucht es den Ausbau der internationalen Bahnverbindungen inklusive der Nachtreisezüge sowie weitere Verbesserungen für erste und letzte Meile zum Bahnhof.

Im Jahr 2014 hätten sieben der zehn passagierstärksten europäischen Flugverbindungen in maximal sechs Stunden mit der Bahn zurückgelegt werden  können. Mit dem Nachtzug werden in Europa heute durchschnittlich 800 bis 1.500 Kilometer zurückgelegt. Im Jahr 2016 waren knapp 40 Prozent aller vom Flughafen Wien-Schwechat ausgehenden Flugreisen kürzer als 800 Kilometer.

Digitalisierung für klimaverträgliche Mobilität

Die Digitalisierung der Lebensbereiche verstärkt die Tendenz zur Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel. Der Besitz von Verkehrsmitteln als Voraussetzung für individuelle Mobilität ist immer öfter obsolet. Vor allem in urbanen Zentren nimmt multimodale Mobilität zu. In mehr als 350 Städten in Europa gibt es bereits Leihfahrradsysteme mit insgesamt etwa 150.000 Fahrrädern. Die Zahl steigt rapide an. Da nicht alle Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können, ist der Ausbau öffentlich zugänglicher Verkehrsangebote, die multimodal und als Sharing-System vernetzt sind, notwendig – sowohl in Städten als auch in den ländlichen Regionen.

Öffentlichen Verkehr voll elektrifizieren

Die Energie- und Flächeneffizienz der öffentlichen Verkehrsmittel ist bei durchschnittlicher Auslastung deutlich höher als bei Pkw, sowohl mit Elektro- als auch Verbrennungsantrieb. Ein gut ausgebautes Angebot des Öffentlichen Verkehrs hilft somit, den Treibhausgasausstoß und Verkehrsprobleme zu verringern. Dass der Anteil des Öffentlichen Verkehrs in Österreichs Großstädten mit Ausnahme Wiens nur dem Österreich-Durchschnitt entspricht, zeigt ungenutztes Potenzial.

Auch öffentliche Verkehrsmittel sind vollständig auf erneuerbare Antriebsenergie umzustellen. 71 Prozent der insgesamt 5.522 Kilometer Bahn-strecken in Österreich sind elektrifiziert. Die weitere Elektrifizierung von Bahnstrecken rechnet sich betriebswirtschaftlich. Die Betriebskosten sind -geringer, Fahrzeitverkürzungen und umsteigefreie Verbindungen werden möglich.

Auch Busverkehr rasch von Erdöl unabhängig machen

Im Busbereich ist die Elektrifizierung noch deutlich weniger weit fortgeschritten als auf der Schiene. Im Jahr 2016 waren in Österreich 148 elektrisch angetriebene Busse unterwegs, darunter hauptsächlich Oberleitungsbusse. In Wien werden seit dem Jahr 2012 zwei Innenstadt-Buslinien vollständig mit zwölf Elektro-Midibusse bedient, die an den Endstationen aufgeladen werden. Bis zum Jahr 2019 sollen in Wien bis zu sieben Elektro-Busse mit einer Länge von zwölf Metern angeschafft werden.

Hamburg und Berlin haben bekannt gegeben, dass ab dem Jahr 2020 jeder neue Bus ihrer Nahverkehrsflotten elektrisch angetrieben sein soll. Derzeit sind batterieelektrische Busse deutlich teurer, weshalb Förderungen für die Elektrifizierung der städtischen Busflotten notwendig sind.

Quelle: VCÖ, „Personenmobilität auf Klimakurs bringen“, Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2017

VCÖ-Empfehlungen

Die VCÖ-Publikation „Energie für erdölfreie Mobilität“ zeigt, welche Maßnahmen nötig sind, damit die Energiewende im Verkehrsbereich gelingt. Die Publikation kann beim VCÖ um 30 Euro bestellt werden. T: +43-(0)1-893 26 97 E: vcoe@vcoe.at www.vcoe.at

Klimaverträglicher Verkehr ist machbar

  • Verbindliche Zeitpläne festlegen. Maßnahmen und Infrastrukturprojekte auf die Erreichung der beschlossenen Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele ausrichten
  • Indikatoren für Klimaverträglichkeit des Verkehrssystems auf allen Verwaltungsebenen einführen und regelmäßig messen
  • Kostentransparenz im Verkehr (Emissionen, Flächeninanspruchnahme, Gesundheitsfolgen) herstellen. Strukturen und Angebote schaffen, die klimaverträgliche Mobilität zur ersten Wahl machen

Verkehrsaufwand vermeiden und verlagern

  • Raumordnung und Infrastruktur auf Klimakurs bringen, durch kompakte Siedlungsstrukturen die Nahversorgung und das soziale Leben im Ort stärken
  • Mit attraktiver Infrastruktur für Gehen und Radfahren sowie Mobilitätsberatung Autofahrten reduzieren. Die Kombination Fahrrad und Öffentlicher Verkehr vereinfachen, mit dem E-Fahrrad können Radfahr-Distanzen erhöht werden
  • Individuelle, öffentlich zugängliche Mobilität: Öffentlichen Verkehr ausbauen und die Vernetzung öffentlich zugänglicher Verkehrsangebote für individuelle Tür-zu-Tür Mobilität erleichtern
  • Ausbau des internationalen Bahnangebots. Verbindliche Klimaschutzvorgaben für den Flugverkehr einführen und Steuerbegünstigungen des Flugverkehrs abschaffen

Elektrifizieren

  • E-Fahrzeuge mit erneuerbarer Energie für nicht vermeidbare oder verlagerbare Wege einsetzen
  • Straßenbahnen, O-Bus, Regio-Trams, Regional- und S-Bahnen ausbauen. Elektrischen Betrieb auf dem gesamten Schienennetz in Österreich ermöglichen


>>„Die Dekarbonisierung des Verkehrssystems bis zum Jahr 2050 ist in Österreich mit einer umfassenden Mobilitätswende möglich. Die mit Kfz zurückgelegten Kilometer sind zu reduzieren, der verbleibende motorisierte Verkehr mit erneuerbarer Energie anzutreiben.“<<

Markus Gansterer, VCÖ-Verkehrspolitik

VCÖ-Factsheet 2017-03 als PDF (0,5MB)

 

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