VCÖ: Fast zwei Drittel der Verkehrsunfälle mit Personenschaden passieren im Ortsgebiet

VCÖ: 40 Prozent der Verkehrstoten im Ortsgebiet waren im Vorjahr Fußgänger

Foto: Markus Gansterer

VCÖ (Wien, 30. August 2021) – 22.812 Verletzte und 89 Todesopfer. Das ist die traurige Bilanz der Verkehrsunfälle im Ortsgebiet, die im Vorjahr in Österreich passierten. 63 Prozent aller Verkehrsunfälle, bei denen Menschen verletzt wurden, ereigneten sich im Ortsgebiet, macht der VCÖ aufmerksam. 40 Prozent der Todesopfer waren Fußgängerinnen und Fußgänger, sechs von zehn waren älter als 70 Jahre. Der VCÖ betont, dass auch in Österreichs Ortsgebieten Tempo 30 die Regel und höheres Tempo die Ausnahme werden soll. Eine Regelung, die beispielsweise in Brüssel seit Jahresanfang, in Spanien seit Mai und in Paris seit heute gilt.

Durch den Verkehrsrückgang infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie nahm im Vorjahr die Zahl der Verkehrsunfälle im Ortsgebiet um 14 Prozent ab, ebenso die Zahl der Todesopfer, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt. Aber die Opferzahl war nach wie vor hoch: 22.812 Menschen wurden verletzt, 89 Menschen kamen bei Verkehrsunfällen im Ortsgebiet ums Leben, davon 36 Fußgängerinnen und Fußgänger.

Auch im Jahr 2019 waren Fußgängerinnen und Fußgänger die größte Opfergruppe bei den tödlichen Unfällen im Ortsgebiet. Im Jahr vor der Coronakrise wurden 48 Fußgängerinnen und Fußgänger bei Verkehrsunfällen im Ortsgebiet getötet.

Der Anteil älterer Menschen unter den Todesopfern bei den Fußgängerunfällen im Ortsgebiet ist hoch, im Vorjahr waren rund 60 Prozent der Todesopfer älter als 70 Jahre. Das Verkehrssystem nimmt auf ältere Menschen und auch Kinder zu wenig Rücksicht. „Die aktuelle Straßenverkehrsordnung nimmt auf den Kfz-Verkehr mehr Rücksicht als auf Menschen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Durch die Reduktion des Tempos im Ortsgebiet können viele schwere Unfälle und viele schwere Verletzungen verhindert sowie Menschenleben gerettet werden. Es sollte Konsens sein, dass die Gesundheit absoluten Vorrang hat“, betont VCÖ-Experte Michael Schwendinger.

Tempo 30 statt 50 reduziert den Anhalteweg, der die Summe aus Reaktions- und Bremsweg ist. Ein Pkw, der bei Tempo 30 einen Anhalteweg von 11 Metern hat, hat bei Tempo 50 einen Anhalteweg von 24 Metern. Nach elf Metern hat das Auto noch eine Geschwindigkeit von 49 km/h, macht der VCÖ aufmerksam. Wird ein Fußgänger mit diesem Tempo angefahren, ist das Risiko schwerster oder gar tödlicher Verletzungen extrem hoch.

„Wo Menschen unterwegs sind, passieren Fehler, beispielsweise durch Ablenkung oder Unachtsamkeit. Niedrigeres Tempo trägt dazu bei, dass auch bei Fehlern noch rechtzeitig gebremst werden kann oder ein Zusammenstoß keine fatalen Folgen hat“, erklärt VCÖ-Experte Schwendinger. Obwohl Tempo 30 Menschenleben rettet, muss der Antrag auf eine Reduktion des Tempolimits in Städten und Gemeinden nach derzeitiger Rechtslage von der zuständigen Behörde zuerst geprüft und dann genehmigt werden. Der VCÖ spricht sich für eine Beweislastumkehr aus: Tempo 30 soll zur Regelgeschwindigkeit werden, ein höheres Tempo im Ortsgebiet soll nach Prüfung und Genehmigung möglich sein.

In Paris gilt seit heute großflächig Tempo 30, höheres Tempo ist auf Hauptrouten und den Stadtautobahnen erlaubt. International nimmt die Zahl der Städte mit flächendeckendem Tempo 30 deutlich zu, beispielsweise hat Brüssel diese Regelung heuer mit Jahresanfang eingeführt. In Spanien gilt seit Mai landesweit Tempo 30 im Ortsgebiet auf Straßen mit einer Fahrbahn pro Richtung.

In Österreich war Graz ein Pionier bei Tempo 30. Bereits im September 1992 wurde auf rund 80 Prozent des Straßennetzes Tempo 30 eingeführt. Die Zahl der im Straßenverkehr Verletzten und der Todesopfer ist in der Folge im 3-Jahresschnitt um 25 Prozent zurückgegangen. Andere Landeshauptstädte haben bei Tempo 30 noch großen Aufholbedarf: In Linz gilt auf nur 45 Prozent des Straßennetzes Tempo 30, in Klagenfurt auf nur 53 Prozent des Straßennetzes, informiert der VCÖ.

VCÖ: Fast zwei Drittel der Verkehrsunfälle mit Personenschaden passieren im Ortsgebiet (Anzahl Verkehrsunfälle mit Personenschaden im Ortsgebiet in Österreich, in Klammer Anteil an Verkehrsunfällen)

Jahr 2020: 19.287 (62,9 Prozent)

Jahr 2019: 22.450 (62,8 Prozent)

Jahr 2018: 23.031 (62,5 Prozent)

Jahr 2017: 23.688 (63,3 Prozent)

Jahr 2016: 24.604 (64,0 Prozent)

Jahr 2015: 24.420 (64,3 Prozent)

Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2021

VCÖ: Fußgänger sind die größte Opfergruppe bei tödlichen Unfällen im Ortsgebiet (Todesopfer bei Verkehrsunfällen im Ortsgebiet in Österreich im Jahr 2020, in Klammer Jahr 2019)

Fußgängerinnen und Fußgänger: 36 (48)

Pkw-Insassen: 26 (17)

Radfahrende: 16 (13)

Motorrad-Fahrende: 8 (16)

Klein-Lkw-Insasse: 1 (1)

Moped: 0 (5)

Sonstige: 2 (4)

Summe: 89 (104)

Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2021

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