Wien im Zeichen des Zu-Fuß-Gehens

Wien ist von 20. bis 23. Oktober 2015 die Bühne für die Walk21, die größte Fachkonferenz der Welt rund um Gehen und Stadtentwicklung. Gehen wird als Schlüssel zu Gesundheit, Lebensqualität und Basis einer Smart City anschaulich und erlebbar.

>> Von Christian Höller

Als wir an der Spitze der fettesten Städte der USA, also jener mit den meisten Menschen mit Übergewicht, standen, haben wir im Jahr 2008 beschlossen abzuspecken“, erklärt Mick Cornett, Bürgermeister von Oklahoma City, USA, „Das Ziel war es, eine Million Pfund (rund 450 Tonnen) in fünf Jahren abzunehmen. Wir haben eine Änderung der Mobilitätskultur eingeleitet, die Infrastruktur neu gedacht und die Stadt zum Gehen gebracht. Heute ist Oklahoma City eine der attraktivsten Städte für die begehrte Gruppe der gut ausgebildeten Zwanzigjährigen aus den ganzen USA.“ Mick Cornett wird bei der Walk21 darüber berichten, wie das gelungen ist.

So nahe wie nie – Walk21 in Wien

In Wien trifft sich die Fachwelt bereits zum 16. Mal, um sich im Dialog zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung über neueste Entwicklungen beim Fußverkehr und zur Gestaltung öffentlicher urbaner Räume als Lebensraum auszutauschen und sich zu vernetzen. Vor Wien waren unter anderem Sydney, München, London, New York, Kopenhagen, Zürich, Barcelona, Vancouver und Mexico City Gastgeber der internatio-nalen Konferenzreihe Walk21.

Immer wieder werden erfrischende kreative Lösungen und Strategien entwickelt, wie durch das Gehen die Sicherheit erhöht, die Lebensqualität verbessert, Gesundheit und Zusammenleben gefördert und die Krankheitskosten, die durch Bewegungsmangel verursacht werden, verringert werden können. Fast jeder Weg beginnt und endet mit einem Fußweg. Gehen zu fördern, bedeutet, Verkehrs-politik als Mobilitätspolitik neu zu gestalten, Kosten-Nutzen-Berechnungen ganz anders zu denken, Mehrwert zu schaffen und den Kommunen sparen zu helfen.

Geht doch!
Walking Visionaries Awards

208 innovative Projekte aus 47 Staaten wurden für die „Walking -Visionaries Awards“ eingereicht. Von Forschung und Entwicklung, sozialen Projekten über Städteplanung bis hin zu Kunst, Kultur, Mode und Design spannt sich der Bogen. Die Stadt Wien vergab rund 40 Preise, die den Preisträgerinnen und Preisträgern eine Konferenzteilnahme an der Walk21 in Wien ermöglichen. Durch diese inspirierende Ideenvielfalt der preis-gekrönten Projekte kann seit Juni online auf der Website www.walk21vienna.com flaniert werden. So erarbeiteten bei dem Kulturprojekt „The Walking Neighbourhood“ in Brisbane/Australien Kinder gemeinsam mit Kunstschaffenden Wege auf denen sie Erwachsene durch ihre Nachbarschaft führten. Eltern und Kinder entdeckten so gemeinsam eine neue Selbstständigkeit und Selbstverständlichkeit im nachbarschaftlichen öffentlichen Raum. In Mumbai/Indien trotzt das „Equal Streets-
Movement“ der schieren Übermacht der Autos Raum fürs Gehen und Radfahren ab und macht aktive Mobilität im Alltag wieder denk- und erlebbar. Oder -„Mira -Dónde Pisas/Watch Your Step“ in Argentinien, wo mit Signalfarbe Löcher und Stolpersteine auf Fußwegen sichtbar gemacht werden.

Volles Programm

Aus den mehr als 400 eingereichten Abstracts wurde ein dichtes Konferenzprogramm mit mehr als 260 Kongressbeiträgen gestaltet. Mit Diskussionsrunden, Seminaren, WalkShops, Urban Labs, Pecha Kuchas oder Round Tables können die Konferenzteilnehmer während der vier Tage der Walk21 in Wien aus dem Vollen schöpfen. Mehr als 250 Fachleute aus über 40 Staaten und den Bereichen Städteplanung und -entwicklung, Politik und Verwaltung, Gesundheit, Architektur, Technik, Social-Marketing, Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft, Interessenvertretungen sowie NGOs werden im Wiener Rathaus ihre Erfahrung mit den mehr als 700 erwarteten Teilnehmenden austauschen. Sie berichten über neueste Entwicklungen zum Fußverkehr, wie Gehen wirksam Beiträge zur Resilienz von Städten, gegen Auswirkungen des Klimawandels und gegen die Luftverschmutzung, die Energieknappheit und die wachsende Übergewichtigkeit der Bevölkerung leisten kann.

Die Liste der Vortragenden veranschaulicht den interdisziplinären Charakter des Gehens. Die indische Verkehrsplanerin Geetam Tiwari hat viel Erfahrung mit Mobilitäts- und Verkehrsplanung fürs Gehen, Radfahren sowie sicheren und effizienten Bussystemen in weniger wohlhabenden Staaten. Raúl Krauthausen ist Aktivist und Berater für Inklu-sion und Barriere-freiheit. Er wurde mit Glasknochen geboren und ist kleinwüchsig. Mit seiner Organisation „Sozialhelden e.V.“ kreiert er Internetplattformen, die Menschen im Rollstuhl Barriere-freiheit verschaffen.

„Happy City“ lautet der Titel des jüngsten Buches von Charles Montgomery, Autor und Urbanist aus Kanada, in dem er Stadtplanung und Glücksforschung zusammenbringt. Ulrik Nielsen von Gehl Architects aus Kopenhagen berichtet über die Teilhabe an der politischen Diskussion, um Visionen einer lebenswerten Stadt zu entwickeln und in konkrete Projekte umzusetzen. Mit Klimafolgenabschwächung und -anpassung im urbanen Kontext und der sozialen Wahrnehmung des Klimawandels beschäftigt sich Fritz Reusswig, Klimaexperte und Umweltsoziologe am Potsdamer Institut für Klima-folgenforschung.

Peatónito, revolutionärer Held der Fußgängerinnen und Fußgänger in Mexico City wird nicht nur mit seiner Luchador-Maske überraschen, sondern auch mit einem feurigen Plädoyer für mehr Sicherheit und Raum für aktive Mobilität in den Städten. Einen ganz besonderen Beitrag werden Fred Bondi, 92 Jahre alt, und seine Frau Susie bringen. Er kehrte mit ihr vor wenigen Jahren aus Paris in seine Heimatstadt Wien zurück und begründet die Wahl seines neuen Lebensmittelpunktes mit der hohen Lebensqualität und den guten Erreichbarkeiten zu Fuß in Wien.

Die Vorträge ergänzen die unterschiedlichen Konferenzformate der Walk21, vom Speed Dating zu Urban Labs, vom Workshop zum Walkshop – viele Möglichkeiten zum direkten Austausch und zum Voneinander-Lernen.

Jahr des Zu-Fuß-Gehens

Das Jahr 2015 ist in Wien Jahr des Zu-Fuß-Gehens. Die Walk21 -Vienna ist ein zentraler Baustein auf dem Weg zur Umsetzung der verkehrs-politischen Ziele der Wiener Stadtregierung wie sie etwa im Stadtentwicklungsplan Step2025 oder in der Smart City Rahmenstrategie festgeschrieben sind.

Auch als eine der führenden Smart Cities legt Wien besonderes Augenmerk auf das Zu-Fuß-Gehen als umweltfreundliche, demokratische, kostengünstige und die Inklusion aller Menschen fördernde Mobilitätsform. Der Wiener Gemeinderat hat im Jahr 2014 das Grundsatzpapier „Strategie zum Fußverkehr“ beschlossen. Wien soll durch die fußgängerfreundliche Gestaltung neuer Stadtteile und -flächendeckende Tempo-30-Zonen in Wohngebieten sicherer und noch -lebenswerter werden. Weitere Schwerpunkte sind die Einrichtung von Flaniermeilen durch die Stadt, Verkehrsberuhigung sowie einheitliche Kennzeichnung wichtiger -Fußverbindungen und Barrierefreiheit.

Attraktive Fußläufigkeit sichert hohe Lebensqualität für alle Wienerinnen und Wiener. „Es ist gesund, Wege zu gehen, und zwar nicht nur für jede und jeden persönlich, sondern auch für die Stadt: Wo viele Menschen zu Fuß unterwegs sind, belebt das den öffentlichen Raum, steigt die soziale Sicherheit und floriert der Handel. Zu-Fuß-Gehen schafft Gelegenheiten; es ermöglicht Kommunikation und Interaktion zwischen den Menschen“, fasst es Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zusammen.

Und Petra Jens, Beauftragte für Fußverkehr, ergänzt: „In Wien werden mehr als ein Viertel der Wege zu Fuß und fast 40 Prozent per Öffis zurückgelegt. Im Jahr des Zu-Fuß-Gehens bieten wir den Wienerinnen und Wienern Produkte und Angebote, die das Zu-Fuß-Gehen noch komfortabler für sie machen. Dazu zählen beispielsweise die erste Wiener Fußwegekarte sowie eine App zum Schrittezählen und Wegefinden. In der Jahreskampagne werden Prozesse angestoßen, die über das Jahr 2015 hinaus wirken.“

Im Jahr 2015 steht Wien mit dem „Jahr des Gehens“ also ganz im Zeichen des Fußverkehrs und eine umfassende Kampagne regt alle Menschen in Wien zu mehr Fußwegen an.

Es geht immer besser

„Um eine Stadt lebenswert zu machen, müssen den Menschen attraktive Alternativen geboten werden, um den verfügbaren Platz bestmöglich zu nutzen. Wien hat bereits einen sehr hohen Standard, was Mobilität, Stadt-entwicklung und Fußverkehr betrifft“, stellt Bronwen Thornton, Walk21-Direktorin, Wien ein sehr gutes Zeugnis aus. „Doch auch in Städten wie Wien kann immer noch viel verbessert werden. Die Walk21 Vienna ist eine gute Gelegenheit, um Ideen aus der ganzen Welt vorzustellen, gute Beispiele für die Gestaltung des öffentlichen Raums kennenzulernen und wie sie unter Beteiligung der Menschen, die in diesen Städten leben, geplant und umgesetzt werden können.“

 >> In Kooperation mit MA 18 – Stadt Wien

 

Das volle Programm


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