Via Smartphone

Bestpreis via Smartphone

Dem Öffentlichen Verkehr kommt im klimaverträglichen Verkehrssystem der Zukunft eine führende Rolle zu. Innovative E-Ticketing-Systeme wollen schon heute die Nutzung erleichtern und das Umsteigen so attraktiv wie möglich machen.

Einfach zugänglich, flexibel, komfortabel, günstig und mit anderen Verkehrsmitteln kombinierbar sollen die Angebote des Öffentlichen Verkehrs sein – und rasch von A nach B bringen.

Wird Ticket-Kauf überflüssig?

Gian-Mattia Schucan Gründer und Geschäftsführer der Ticket-App Fairtiq „Wir erhalten viel positives Feedback, interessanterweise überdurchschnittlich oft von älteren Nutzerinnen und Nutzern. Diese schätzen die Einfachheit gegenüber den Ticketautomaten.“

Viele scheuen die Nutzung des Öffentlichen Verkehrs, weil die Ticketautomaten kompliziert, Schalter geschlossen oder Warteschlangen lang sind. Seit Jahren versuchen Zeitkarten, RFID-Chip-Tickets wie die Londoner „Oyster-Card“ oder Handy-Tickets, den Kauf komfortabler für Kundinnen und Kunden zu gestalten. Die Schweizer E-Ticket-App „Fairtiq“ geht einen Schritt weiter: Beim Einsteigen öffnen Fahrgäste die App. Am Ende der Reise berechnet sie den günstigsten Preis. „Fahrgäste müssen die Tarife nicht kennen“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Gian-Mattia Schucan. „Und sie sollen sich nicht im Vorhinein überlegen müssen, welches Ticket notwendig ist, wenn die Reisepläne am Anfang des Tages noch nicht genau feststehen.“ Mit mehr als 500.000 Tickets in derzeit elf Tarifverbünden seit Einführung Mitte des Jahres 2016 ist Fairtiq die größte Ticket-Erfassungs-App der Schweiz und plant, ab März 2018 die gesamte Schweiz abzudecken. „Die Nutzungszahlen wachsen mit rund 25 bis 30 Prozent im Monat“, so Schucan stolz. „Wir erhalten viel positives Feedback, interessanterweise überdurchschnittlich oft von älteren Nutzerinnen und Nutzern. Diese schätzen die Einfachheit gegenüber den Ticketautomaten.“ Außerdem sei Fairtiq schneller und günstiger einzuführen als Ticketautomaten oder Smartcards. Das mache Fairtiq auch für kleinere und mittlere Verkehrsunternehmen attraktiv, argumentiert Schucan. Und auch für die SBB. So wird heuer die Technologie in die „SBB-Preview-App“ integriert, wo sie Funktionen wie die Fahrplanauskunft der SBB ergänzt.

Das Ticket unter der Haut

Nils Zeino- Mahmalat Geschäftsführer der VDV eTicket Service GmbH & Co. KG in Deutschland „Vereint am Smartphone, haben Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr erstmals Vertrieb und Information in der eigenen Hand.“

Am Smartphone haben Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr erstmals Vertrieb und Information in der eigenen Hand“, so Nils Zeino-Mahmalat, Geschäftsführer der deutschen VDV eTicket Service GmbH & Co. KG, an der unter anderem der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV beteiligt ist. Das Unternehmen verantwortet und koordiniert den technischen Standard für die elektronische Fahrkarte eTicket Deutschland. Ticket und Information in einer App, genau darin liegt für Zeino-Mahmalat sowohl das Innovationspotenzial als auch die Herausforderung der Digitalisierung. Die Fahrgäste erwarten sich heute diese Rundum-Assistenz und vor allem korrekte Echtzeit-Informationen. „Fehlen schon am Bahnsteig die richtigen Informationen, bekomme ich sie erst recht in keine App.“ Oft scheitere digitales Ticketing in kleineren und mittleren Verkehrsunternehmen noch an Technologie oder Ressourcen. Mögliche Lösungen werden unter anderem in der Initiative „Mobility inside“ diskutiert, in der der Branchenverband VDV gemeinsam mit Verkehrsunternehmen eine Plattform zur Vernetzung des deutschlandweiten Öffentlichen Nahverkehrs entwickelt. Kooperation findet auch im internationalen Fachverband „Kontiki – Arbeitskreis kontaktlose Chipkartensysteme für Electronic Ticketing“ statt. Ein brisantes Thema ist dort der Umgang mit Daten, der in verschiedenen Staaten unterschiedlich gehandhabt wird. In Schweden ist es sogar akzeptiert, sich Chip-Implantate als Tickets unter die Haut stecken zu lassen, und wird in einem Pilotprojekt erprobt. In Staaten wie Österreich und Deutschland wäre ein solcher Schritt undenkbar. „Die Branche legt größten Wert darauf, dass die Daten nur bei dem Verkehrsunternehmen liegen, dem die Fahrgäste ihr Vertrauen geschenkt haben“, bekräftigt Zeino-Mahmalat. Ob und welche Auswirkungen die Einführung der EU-weiten Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 auf E-Ticket-Lösungen hat, bleibt abzuwarten. Auch in Deutschland werden marktfähige Be-In-/Be-Out-Apps à la Fairtiq entwickelt. Bis diese deutschlandweit so stabil funktionieren wie Chipkarten, sei allerdings noch Forschungsarbeit zu leisten. Im Jahr 2018 werden Projekte in der Frankfurt-Rhein-Main-Region und in München im Echtbetrieb getestet.

Kommt das Österreich- Ticket?

Noch wird geforscht: In Deutschland werden E-Ticket- Lösungen im Jahr 2018 in zwei Regionen im Echtbetrieb getestet.

Auch bei der Frage, wie ein Ticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel in ganz Österreich umgesetzt werden kann, hilft E-Ticketing. Ein Pilotprojekt fand Ende des Jahres 2017 in Kärnten und in der Steiermark statt. Dabei erhielten 500 Personen mit einer gültigen „Österreichcard“ der ÖBB eine Smartphone-App, die als Ticket für den gesamten Öffentlichen Verkehr in beiden Bundesländern galt. Die vom Austrian Institute of Technology (AIT) entwickelte Software erkennt automatisch das benutzte Verkehrsmittel – etwa ob Öffentlicher Verkehr, Fahrrad oder Auto – und zeichnet die Wegstrecke auf. Die Daten sollen helfen, das Angebot des Öffentlichen Verkehrs zu analysieren und Schnittstellen zwischen den Verkehrsmitteln zu verbessern. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, die ÖBB-Personenverkehr AG und die beiden Bundesländer stehen noch aus.

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