Mobilitätskonzepte statt bloßem Zählen der Stellplätze

Die vorgeschriebenen Abstellplätze für Pkw verteuern das Wohnen und erhöhen den Anteil des Autoverkehrs. Aber immer mehr Beispiele zeigen, wie die Stellplätze im Rahmen von Mobilitätskonzepten reduziert werden können.

>> Von Bernhard Hachleitner

Für jede Wohnung kann ein Parkplatz erstellt werden, heißt es in der Parkplatzverordnung des Schweizer Kantons Basel-Stadt. Bei großen Wohnungen können zusätzliche Stellplätze bewilligt werden. Hier ist verwirklicht, was viele Expertinnen und Experten schon seit Jahren fordern: Nicht vorzuschreiben, wie viele Stellplätze pro Wohnung mindestens errichtet werden müssen, sondern zu regeln, wie viele höchstens gebaut werden dürfen. Zu viele Stellplätze erhöhen den Anteil des Autoverkehrs und verteuern – mit  mindestens 15.000 Euro pro Stellplatz bei Tiefgaragen – das Wohnen. „Eine maßvolle Anpassung der Stellplatzverpflichtung an den tatsächlich erforderlichen Bedarf ist daher zur Baukostensenkung und damit auch Reduktion der Mietbelastung ein Gebot der Stunde“, sagt Karl Wurm, Obmann des österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen.

Grazer Mobilitätsverträge

Dabei gibt es aber einiges in der Gesamtsicht zu beachten. „Es muss vermieden werden, dass dann die Autos einfach auf der Straße abgestellt werden – mit allen negativen Folgen für die Öffentlichkeit. Das braucht eine umfassende Sicht“, sagt Martin Kroißenbrunner, Leiter der Verkehrsplanung der Stadt Graz. „Es muss auch Push-Faktoren geben, wie gute Anbindung an den Öffentlichen Verkehr, Nahversorgung, Kindergärten und Schulen.“ Darüber hinaus schließt die Stadt Graz mit Betreibern größerer Bauprojekte sogenannte Mobilitätsverträge ab. Genau definierte Abstellplätze für Fahrräder, Carsharing, Ladestationen für E-Mobilität, beim Erstbezug einer Wohnung eine Gratis-Jahreskarte und Mobilitätsberatung sind etwa beim Wohnprojekt „Central Living Graz“ am Eggenberger Gürtel vorgeschrieben. Bei noch größeren Projekten, wie in der Waagner-Biro-Straße sind auch Geh- und Radwege durch das Gelände und eine optimale fußläufige Anbindung an die Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs auf Kosten des Bauträgers vorgesehen. Umgekehrt werden auch Obergrenzen für Kfz-Stellplätze festgelegt. Von bisher üblicherweise einem Stellplatz pro 70 bis 90 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche kann die Anzahl mit Mobilitätsverträgen auf beispielsweise höchstens einen pro rund 140 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche sinken. Das Steiermärkische Baugesetz gibt diese Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen die Stellplatzzahl zu reduzieren.

Gute Beispiele

In Österreich hat jedes Bundesland seine eigene Regelung, zudem wird den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, nach oben oder unten davon abzuweichen. In Wien wurde heuer mit der Novellierung der Bauordnung die vorgeschriebene Mindestanzahl der Pkw-Stellplätze von einem Stellplatz pro Wohnung auf einen je 100 Quadratmeter Nutzfläche reduziert. Schon länger gibt es die Möglichkeit, bei guter Anbindung an den Öffentlichen Verkehr autofreie Wohnprojekte  zu realisieren und dabei bis zu 90 Prozent der Parkplätze erlassen zu  bekommen. Umgesetzt wurde das bisher bei der autofreien Siedlung in Floridsdorf. In anderen Ländern gibt es in vielen Städten Beispiele für Stadtteile, die sehr stark auf nachhaltige Mobilität setzen. So in GWL Terrein in Amsterdam, einer Siedlung mit 600 Wohneinheiten und nur etwa 170 Pkw pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner, oder -Vauban in Freiburg. Im neuen Stockholmer Stadtteil Hammarby Sjöstad kommen auf 1.000 Bewohnerinnen und Bewohner nur 210 Autos, 18 Prozent der Haushalte nutzen Carsharing. 52 Prozent der Wege werden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, 27 Prozent zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Wichtiger noch als die reduzierte Stellplatzanzahl sind eine sehr gute öffentliche Verkehrsanbindung sowie die Infrastruktur für das Gehen und Radfahren.

In ein Gesamtkonzept einbinden

Meist gehen die Regelungen aber immer noch viel zu sehr vom Pkw aus. Immerhin sind in Vorarlberg seit dem Jahr 2013 auch „3,5 Quadratmeter leicht erreichbare Fahrradabstellflächen je Wohnung im Innenbereich“ vorgesehen, zusätzlich muss im Eingangsbereich pro Wohnung „ein halber Quadratmeter ebenerdige, beleuchtete und überdachte Stellfläche für Bewohner und Besucher“ errichtet werden. Zusätzliche Kosten entstehen dadurch keine, weil gleichzeitig die Anzahl der Pkw-Stellplätze geringer ausfallen kann. Es gibt seit dem Jahr 2011 sogar die Möglichkeit, durch Verordnung Höchstzahlen für Kfz-Stellplätze festzulegen. Bisher wurde das für das Gebiet rund um den Dornbirner Bahnhof umgesetzt.

Was in den Bauordnungen, Wohnbauförderungsbestimmungen & Co noch immer weitgehend fehlt, ist ein Verständnis für Gesamtmobilität, das  über reine Abstellplätze hinausgeht. „Wir haben über die Mobilitätsverträge gewisse Möglichkeiten, etwa Mobilitätsmanagement  vorzuschreiben“, sagt Martin Kroißenbrunner. „Es wäre aber Zeit, die Gesetze an den State-of-the-Art der Verkehrsplanung anzupassen.“

 

>> Zum Autor:
Bernhard Hachleitner
www.hachleitner.at

 


>> Anpassung der Stellplatzverpflichtung an den Bedarf ist ein Gebot der Stunde, um die Baukosten zu senken. <<

- Karl Wurm, Obmann des österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen

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