Fachleute im Gespräch

Christoph Winder

Haberkorn GmbH in Wolfurt, Leiter Personal und Organisationsentwicklung

"Wir wünschen uns, dass die steuerlichen Hürden zur Umsetzung sinnvoller Mobilitäts-Programme abgebaut werden."

„Die Unterstützung eines gesunden, umweltverträglichen und sicheren Mobilitätsverhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist seit langem ein großes Anliegen der Firma Haberkorn. Wir bieten etwa Jahrestickets für den Öffentlichen Verkehr, Jobräder für den Weg vom Bahnhof zur Firma sowie für Erledigungen, Servicetage für Fahrräder, eigene Parkplätze für Fahrgemeinschaften, das Jobticket für neue Mitarbeitende und laufend Informationen zum Thema sanfte Mobilität. Der attraktive Mix der Maßnahmen sowie die kontinuierliche Kommunikation sind entscheidend. Deshalb war für uns die Teilnahme am Netzwerk Wirtschaft mobil von Firmen in Vorarlberg naheliegend, um neue Impulse zu bekommen und unsere Erfahrungen weiterzugeben. Wir werden auch mit dem Mobilitätsbonus-Modell Eco-Points starten und damit jede Form der sanften Mobilität unterstützen. Bei diesem Modell werden je nach verwendetem Verkehrsmittel und zurückgelegter Wegstrecke „Eco-Punkte“ gesammelt, die ab einer gewissen Höhe in zweckgebundene Gutscheine oder Sachleistungen umgetauscht werden können. Wir wünschen uns, dass die steuerlichen Hürden zur Umsetzung solcher sinnvollen Programme abgebaut werden.“

Herbert Kasser

Generalsekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie bmvit

„Die Klimaziele erfordern einen Umbau des Verkehrssystems und einen signifikanten Rückgang des Diesel- und Benzinverbrauchs im nächsten Jahrzehnt. Daher hat die Bundesregierung mit dem im Dezember 2016 beschlossenen Nationalen Strategierahmen „Saubere Energie im Verkehr“ ganz klar das Ziel eines weitgehend CO2-neutralen Verkehrssektors in Österreich im Jahr 2050 festgelegt. Nur solche klaren Ziele ermöglichen die nötige Planbarkeit und Investitionssicherheit für unsere Unternehmen, die wir mit vielfältigen Initiativen – vom E-Mobilitätspaket bis zu Technologieförderungen – unterstützen. Um die europäischen Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen im Personenverkehr mindestens halbiert und im Güterverkehr mindestens stabilisiert werden. Daher haben Bundesminister Leichtfried und die Verkehrsreferentinnen und Verkehrsreferenten der Länder auch beschlossen, gemeinsam an verkehrspolitischen Rahmenbedingungen zu arbeiten, die bis zum Jahr 2030 eine weitreichende Zulassung von emissionsfreien Fahrzeugen möglich machen. Voraussetzung dafür ist neben der Fahrzeugverfügbarkeit und den europäischen und internationalen Rahmenbedingungen natürlich auch eine aktive öffentliche Hand. Aus Sicht des bmvit sollte die öffentliche Hand daher auch anstreben, rascher auf Nullemissionsfahrzeuge umzustellen als der Durchschnitt aller zugelassenen Kraftfahrzeuge in Österreich. Für eine sozial- und wirtschaftsverträgliche Dekarbonisierung sind aus meiner Sicht zwei Dinge besonders wichtig: Erstens reicht eine Umstellung auf Nullemissionsfahrzeuge nicht aus – öffentlich zugänglicher Verkehr bleibt das Rückgrat des Mobilitätssystems. Die Digitalisierung und Entwicklungen wie das automatisierte Fahren haben hier viel Potenzial, gute und vor allem leistbare Mobilitätsservices für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Zweitens geht es darum, den Umbau des Verkehrssystems mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Sicherung von Wertschöpfung zu verbinden – Unternehmen aus Österreich haben hier großes Potenzial. Als Verkehrsministerium unterstützen wir das mit klaren Zielen, Investitionen in den Umbau des Verkehrssystems und der gemeinsamen Entwicklung von Maßnahmen mit allen Stakeholdern.“

Glenn Lyon

war Keynote Speaker bei den Innovationsgesprächen Personen.Mobilität.Forschung von bmvit und FFG im Mai 2017 in Wien.

VCÖ-Magazin: Wie können wir Verkehrsinfrastruktur planen, angesichts sich rasch ändernder Verkehrstechnologien und Mobilitätsgewohnheiten?

Glenn Lyon: Die Herausforderung ist, einen politischen Zugang zu entwerfen, der jeder Situation standhält. Etwa indem auf Erreichbarkeit und nicht auf Verkehrsmittel fokussiert wird. So schaffen wir Wahlmöglichkeiten für die Zukunft, ob wir nun durch physische Fortbewegung Erreichbarkeit sichern wollen, durch größere Nähe oder digital. Wir können das Verhalten der Menschen durch das Design der Infrastruktur beeinflussen. Und tatsächlich haben die Entscheidungen, die wir in den letzten Jahrzehnten getroffen haben, die Gesellschaft geformt, auch beim Verkehr.

VCÖ-Magazin: Sind neue technische Möglichkeiten wie Digitalisierung und autonomes Fahren quasi Selbstläufer?

Glenn Lyon: Ich denke, eine Attraktivität technischer Lösungen ist, dass sie sehr konkret wirken. Außerdem gibt es starke Akteure in der Industrie, die davon profitieren, während Lösungen der Stadtplanung andere Akteure haben. Diese sind nicht finanziell getrieben und es ist schwieriger, sich die Vision vorzustellen und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen. Deshalb ist verantwortungsvolle Innovation so wichtig – und dass der öffentliche Sektor gestaltend eingreift.

Gernot Stöglehner

Universität für Bodenkultur, Leiter des Instituts für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung IRUB

„Raumstrukturen haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie sich unser Mobilitätsverhalten, unser daraus resultierender Energieverbrauch sowie die damit verbundenen Treibhausgas- Emissionen gestalten. Damit ist das Thema Verkehr auch ein wesentlicher Aspekt von Energieraumplanung. Aber auch die Bewältigbarkeit des Alltags zwischen Beruf und Familie hat viel damit zu tun, wieviel Zeit wir für Mobilität aufwenden. Hier kann Raumplanung mit Nachhaltigkeitsprinzipien ansetzen, indem funktionsgemischte, maßvoll dichte und kompakte, nach dem Prinzip der kurzen Wege organisierte Gemeinden und Regionen angestrebt werden. Das unterstützt auch den Umweltverbund, bestehend aus Gehen, Radfahren und Öffentlichem Verkehr. Zur breiten Umsetzung dieser Prinzipien fehlen im Raumplanungssystem allerdings teilweise die nötigen Instrumente sowie begleitende Maßnahmen, sodass die Realität vielfach anders aussieht. E-Mobilität wird zwar – wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt – die Treibhausgasbilanz entlasten. Viele Probleme, wie der vielfach hohe Zeitaufwand für die Bewältigung der Alltagsmobilität, der Flächenverbrauch für den Verkehr oder eine menschenfreundliche Gestaltung von Straßenräumen, bleiben aber durch E-Mobilität unberührt. Da braucht es den Umweltverbund in räumlichen Strukturen, die nach den genannten Nachhaltigkeitsprinzipien gestaltet sind.“

»Es braucht räumliche Strukturen, die Gehen, Radfahren und Öffentlichen Verkehr fördern«

Stefanie Peer

Assistenzprofessorin an der WU Wirtschaftsuniversität Wien/Institute for Multi-Level Governance and Development

„Neben der benötigten Tür-zu-Tür-Reisezeit beeinflusst vor allem der Preis die Verkehrsmittelwahl. Mitt finanziellen Anreizen kann erreicht werden, dass die dem Personenverkehr zuordenbaren CO2-Emissionen sinken. Diese Anreize können einerseits darin bestehen, dass Alternativen zum Autofahren günstiger angeboten werden, wie etwa die 365-Euro-Jahreskarte der Wiener Linien. Auf der anderen Seite stehen Verteuerungen des Autoverkehrs, etwa in der Form von höheren Parkgebühren oder einer City-Maut. Unter der Annahme, dass weitreichende Vergünstigungen des Öffentlichen Verkehrs budgetär auch weiterhin kaum möglich sind und auch Elektro-Autos sich erst längerfristig durchsetzen, ist eine relative Verteuerung des Autoverkehrs beinahe unumgänglich, um in absehbarer Zeit eine Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Personenverkehr zu erreichen. Vor allem in urbanen Räumen mit guter Verfügbarkeit von – günstigen – Verkehrsmittelalternativen ist dies auch sozialpolitisch vertretbar. Im Gegensatz zu Maßnahmen, die eine Beschränkung des Autoverkehrs gesetzlich bedingen, wie Umweltzonen, können finanzielle Instrumente Steuereinnahmen generieren, die dann wiederum zum Ausbau oder zur Vergünstigung alternativer Verkehrsmittel für die Bevölkerung zur Verfügung stehen.“

»Um CO2-Emissionen zu vermeiden, ist Verteuerung des Autoverkehrs beinahe unumgänglich.«

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