E-Auto kann mehr als fahren

Foto: Holging Graz/Lupi Spuma

Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs, an denen E-Fahrzeuge geladen werden können. Ein Wohnprojekt, das das Teilen von Strom und Mobilität ermöglicht. E-Autos entwickeln sich zu integrierten Lösungen von Mobilität und Stromversorgung

Fahrrad oder E-Taxi? Carsharing oder Strasenbahn? Am Lendplatz und sechs weiteren Orten in Graz kann gewahlt werden. Seit dem Jahr 2016 schafft das Projekt „tim – taglich. intelligent. mobil“ Verkehrsknoten an stark frequentierten Haltestellen.

Von der Jahreskarte zur Mobilitätskarte

Ergänzend zum Öffentlichen Nahverkehr stehen Carsharing- und Leihautos sowie E-Taxis bereit, ebenso Abstellanlagen für Fahrräder. E-Autos können an Ladestationen mit Ökostrom der Energie Graz gratis aufgetankt werden. „Wer tim nutzt, braucht kein eigenes Auto mehr. Weder in der Stadt, noch für den Wochenendausflug", so Vorstands direktorin Barbara Muhr, bei der Holding Graz für das Projekt verantwortlich. Rund 1.600 Menschen nutzen bereits tim. Seit November 2018 ist die tim-Mitgliedschaft automatisch in die Jahreskarte des Öffentlichen Verkehrs integriert. Registrierungs- und monatliche Mitgliedsgebühren entfallen. „Durch diesen Kaufanreiz ist die Anzahl der Nutzenden in die Höhe geschnellt“, so Muhr, „gleichzeitig stärkt er die Anbindung von tim an den Öffentlichen Verkehr.“ Es gehe primär darum, das Mobilitätsverhalten zu ändern. So regen gestaffelte Tarife an, das Auto nur so lange wie nötig zu verwenden.

tim verknüpft Energie und Mobilität

Die Verknüpfung von Energie und Mobilität geht bei tim auf. Die Haltestellen wurden mit Ladelösungen kombiniert. In Städten, wo Flächen oft begrenzt sind, das Stromnetz aber außerhalb der Spitzenzeiten oft nicht ausgelastet ist, kann eine solch „netzdienliche Infrastruktur“ über die Machbarkeit eines alternativen Mobilitätsangebots entscheiden, bestätigt die Studie „Start with Smart“ von Regulatory Assistance Project RAP, einer unabhängigen NGO, die sich dem raschen Wandel zu einer sauberen Energiezukunft verschrieben hat. „Dynamische, also zeitlich variable Preise für die Energieversorgung und die Nutzung des Netzes helfen Verbrauchenden, ihre Elektro-Fahrzeuge zu Zeiten aufzuladen, in denen die Kosten für die Erzeugung, Lieferung und Netznutzung von Elektrizität gering sind“, beschreiben die Studienmitautoren Julia Hildermeier und Andreas Jahn Vorteile durch E-Mobilität – für alle Stromkunden. Andernfalls können E-Autos mittelfristig die Spitzennachfrage erhöhen, was insgesamt zu höheren Kosten führe. Intelligente Technologie könnte unterstützen, den besten Zeitpunkt für das Laden herauszufinden.

E-Carsharing-Autos und Gebäudeenergie vernetzen

Dass alle von einem optimierten Laden der E-Fahrzeuge profitieren, zeigt sich auf dem Areal Erlenmatt Ost in Basel in der Schweiz. Seit Oktober 2018 deckt die Eigenverbrauchsgemeinschaft ihren Strom- und Wärmebedarf mit Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Abwärme aus dem Grundwasser selbst ab. Damit
wird nicht nur gekocht und geheizt, sondern auch zwei E-Carsharing-Autos – ein Fünfsitzer und ein Kleintransporter – betrieben. Deren Batterien dienen wiederum als Energiespeicher. „Sie werden gespeist, wenn auf dem Areal mehr Strom produziert als gebraucht wird“, erklärt Anna Roschewitz, Co-Geschäftsführerin von novatlantis, gemeinnützige Gesellschaft für Nachhaltigkeit und Wissenstransfer. „Umgekehrt glättet unser System Lastspitzen, die entstehen, wenn das Areal höheren Strombedarf hat. Das reduziert Kosten. Statt Energie teuer zu kaufen, speisen wir sie aus den bidirektionalen Batterien zurück. Somit wird sie auf dem Areal günstiger für alle.“ Dass die komplexe Vernetzung von Autos, Gebäuden, Energie und den Menschen funktioniert, das macht für die Initiatorin die „Kunst unseres Projekts“ aus, das die Immobiliengesellschaft Stiftung Habitat, das Institut für Nachhaltige Entwicklung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die Adev Energiegenossenschaft entwickelt haben. In einem nächsten Projekt, finanziert vom Schweizerischen Bundesamt für Energie und dem Kanton Basel-Stadt, wird das Energie- und Lademanagement weiter optimiert. Derzeit stellt eine spezielle Software sicher, dass die E-Carsharing-Fahrzeuge geladen sind. Bis zum Jahr 2021 sollen Buchungsprognosen und für die Photovoltaik relevante Wetterdaten das Lademanagement verfeinern. „Wir sind sehr interessiert, unsere Learnings in anderen Projekten umzusetzen“, meint Roschewitz: „Vielleicht mit einer Firmenflotte.“ Bei tim werden die gewonnenen Erfahrungen bereits weitergegeben. Weitere Knotenpunkte sind geplant – nicht nur in Graz. tim kommt als REGIOtim in elf Gemeinden in Graz-Umgebung sowie in Voitsberg. Bereits seit September 2019 haben die LINZ LINIEN die beiden ersten von neun geplanten tim-Standorten in Betrieb genommen. Barbara Muhr hat viel vor: „Unsere Vision ist es, tim österreichweit zu etablieren.“

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VCÖ: Hälfte des Schienengüterverkehrs in der EU ist grenzüberschreitend, in Österreich sogar 80 Prozent

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Foto: Sarah Duit