Das Rückgrat der klimaverträglichen Verkehrswende

„Eisenbahnpaket“ der Bundesregierung: Mit jährlich rund drei Milliarden Euro für die Bahn-Infrastruktur hat der Ausbau des Bahnnetzes in Österreich zuletzt an Fahrt aufgenommen.

2021 wurde EU-weit zum „Jahr der Bahn“ erklärt und auch die heimische Politik hat erkannt, dass nur ein massiver Schienenausbau die „Verkehrswende“ ermöglichen kann. Um die Klimaziele erreichen zu können, müssen jahrzehntelange Verspätungen schleunigst aufgeholt werden.

Von Othmar Pruckner

Hätte Stefan Frankenberger als Präsident der Vereinigten Staaten von Europa uneingeschränkte Macht, sähe unser alter Erdteil wohl deutlich anders aus. Der Künstler und Visionär hat das Bahnsystem des Kontinents – bis weit hinein nach Afrika und Kleinasien – als „Metropa“-Netz neu gedacht und in einen bunten Linienplan, ähnlich den Plänen diverser U-Bahnsysteme gegossen – ein Wunschtraum vieler Bahnfreundinnen und -freunde und Verkehrsfachleute. Seine Vision weckt Sehnsüchte und Hoffnungen, doch die Realität ist eine andere. Zu viele Staaten priorisieren trotz Klimakrise noch immer die Straße beziehungsweise bauen neue Bahnstrecken vorwiegend unter nationalen anstatt kontinentalen Gesichtspunkten. Das Rückgrat des gesamt-europäischen Bahnsystems ist, nüchtern betrachtet, also noch ziemlich lückenhaft. Was nicht zuletzt der Europäische Rechnungshof bemängelt. Dessen Prüfer kritisieren explizit den „Flickenteppich aus Hochgeschwindigkeitsstrecken der einzelnen Mitgliedstaaten, die isoliert geplant und gebaut werden“. Beispiel dafür ist ein aktueller Konflikt in Bayern. Mitte April demonstrierten in Rosenheim tausende Bürgerinnen und Bürger gegen eine ihrer Meinung nach „überflüssige“ neue Hochgeschwindigkeits-Bahntrasse im „Deutschen Eck“ – ein Projekt, das als „missing link“ der Nord-Süd-Verbindung von München nach Verona höchste Priorität hätte. Vor dem Jahr 2040 ist eine Realisierung sowohl aufgrund der schleppenden Vorbereitung als auch aufgrund der nötigen Genehmigungsprozesse unwahrscheinlich, naturgemäß auch die damit einhergehende Verkehrsverlagerung.

„Eisenbahnpaket“ bringt Schienenneubau

In Österreich selbst hat der Ausbau des bestehenden, an vielen Stellen überalterten Bahnnetzes zuletzt an Fahrt aufgenommen. Die ÖBB kann dank eines neuen „Eisenbahnpakets“ der Bundesregierung ab nun jährlich rund drei Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren, rund eine halbe Milliarde pro Jahr mehr als zuletzt. Es sind nun nicht mehr allein die großen Tunnelprojekte Semmering, Koralm, Brenner-Basistunnel, auf die mit Stolz verwiesen wird, nun wird auch in der Fläche aufgerüstet, um das stark gekrümmte Bahn-„Rückgrat“ fit für die angestrebte „Verkehrswende“ zu machen. Allein in der Ostregion, rund um die stark wachsende Bundeshauptstadt, sollen in den kommenden sechs Jahren rund sechs Milliarden Euro in die „Hardware“ investiert werden. „Österreich braucht jeden Impuls, die ÖBB sieht sich als Lokomotive, die die Wirtschaft nach der Corona-Pandemie wieder aus der Krise ziehen kann“ sagt ÖBB-CEO Andreas Matthä selbstbewusst. Er verspricht, bis Ende 2026 rund 17.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen – in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit mehr als ein bloßer Nebenaspekt des ÖBB-Investitionsprogramms. Laut neuem ÖBB-Rahmenplan 2021 bis 2026 ist eine knappe Milliarde Euro allein für die Ertüchtigung der überlasteten Wiener S-Bahn-Stammstrecke budgetiert. Auch der so wichtige viergleisige Ausbau von Wien Meidling bis Mödling wird nun konkret, wenngleich das 1,2 Milliarden-Projekt frühestens im Jahr 2034 fertiggestellt werden kann, weil Planungs- und Genehmigungsverfahren viel Zeit benötigen. Neben verstärkten Investitionen in die großen Schienenmagistralen scheint aber auch ein Umdenken am anderen Ende der Skala, bei Regionalbahnen, stattzufinden. Wurde noch vor wenigen Jahren beispielsweise über die Einstellung der Kamptalbahn – sowie etlicher anderer „Nebenbahnen“ – spekuliert, werden nun auch von Landesseite Ausbaumaßnahmen zugesagt, ebenso wie für die lange vernachlässigte Waldviertler Franz-Josefs-Bahn.

Schweiz: Noch mehr Züge statt „Highspeed“

Österreich ist in der EU schon heute ein Bahn-Musterland. Das wahre Vorbild beim Ausbau des Schienennetzes ist und bleibt aber die Schweiz. Nach dem im Jahr 2008 beschlossenen und weitgehend umgesetzten ZEB-Programm („Zukünftige Entwicklung der Bahn-Infrastruktur“) wird nun das Ausbauprogramm 2025 „FABI“ – (Finanzierung und Ausbau der Bahn-Infrastruktur“) vorangetrieben. Schwerpunkt des 6,4 Milliarden Franken (5,8 Milliarden Euro) schweren Investments ist nicht Hochgeschwindigkeit-Streckenneubau, sondern Kapazitätserhöhung auf bereits vorhandenen Linien. Gebaut werden in erster Linie Wende- und Überholgleise, dritte und vierte Gleise sowie Bahnsteigerweiterungen, um noch dichtere Takte zu ermöglichen. Schon bald werden beispielsweise die Züge zwischen Zürich und Lugano im Tessinim Halbstundentakt verkehren können. Aber auch in die berühmte Schmalspurbahn nach Zermatt wird weiter investiert, um noch dichtere Zugsintervalle in den autofreien Ort führen zu können. Ebenso fließt Geld in die wunderbare, touristisch wichtige Bergstrecke von Chur nach St. Moritz. Konkretes Fernziel der Eidgenossen ist es, einen Gesamtschweizer Taktfahrplan zu realisieren, der die großen Städte des kleinen Landes in Viertelstundenintervallen (!) miteinander verbindet. Für die dafür nötigen Ausbauschritte bis zum Jahr 2035 wurden vom Schweizer Parlament bereits weitere 13 Milliarden Franken (11,8 Milliarden Euro) bewilligt. Große Pläne für Aufrüstung des Schienennetzes hat auch das Nachbarland Tschechien. Gemeinsam mit Österreich und Deutschland wurde im Frühjahr 2021 ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet. Inhalt: Bis zum Jahr 2035 soll ab Wien die deutsche Hauptstadt Berlin – via Prag – in vier Stunden erreichbar sein, eine glatte Halbierung der heute benötigten rund acht Stunden. Kernstück dabei ist ein geplanter Megatunnel unter dem Erzgebirge, zwischen Usti nad Labem und Dresden. Solch visionäre Pläne sind so wie das genannte heimische „Eisenbahnpaket“ allerdings noch lange nicht genug, die heimische Bahninfrastruktur von Grund auf zu sanieren. Es bedarf so wie in der Schweiz noch vieler weiterer „Pakete“, Programme und damit ausreichende Budgets, um mit der Straße auf Augenhöhe zu gelangen. Um die jahrzehntelange Fixierung auf das Auto-Straßen-System auszugleichen, müsste also nicht nur ein „Jahr der Bahn“, sondern unverzüglich ein „Jahrzehnt der Bahn“ eingeläutet werden, sowohl in Österreich, vor allem aber in der gesamten Europäischen Union.

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