Das geparkte Geld wird mobil

Bereits mit der Wahl des Grundstückes stellen Bauträger entscheidende Weichen zum Mobilitätsverhalten der Menschen, die dort wohnen werden. Und immer öfter wird Mobilität statt Parkplätzen geboten.

>> Von Ursula Jungmeier-Scholz

Die Kumpanei, ein via Verein organisiertes Grazer Bauvorhaben, wird auf einem sorgfältig ausgesuchten Areal entstehen. „Bei unserer Fahrrad-Testfahrt waren wir in zwölf Minuten im Zentrum“, berichtet Petra Lex vom Verein Cum Pane. Für die geplanten 25 bis 30 Wohneinheiten sind nur fünf Autoabstellplätze vorgesehen. „Wir konzipieren unser Projekt als Wohnheim und hoffen so, uns auf ein Sechstel der vorgeschriebenen Parkplätze beschränken zu können“, erklärt Vereinsmitbegründer Karl-Heinz Posch. Diese Sonderkonstruktion hat sich auch beim Wohnprojekt Wien und den Wohnungen auf dem Grund der ehemaligen Wiener Sargfabrik bewährt.

Abkürzung und Zugang: Mit jedem Durchweg – auch im Nachhinein geschaffen – wird Gehen attraktiver. (Kauerhof/Sechshauserpark, Wien 15)

Standort bewusst wählen

Schon die Lage des Bauplatzes entscheidet mit, durch Anbindung an den Öffentlichen Verkehr, das Radwegnetz und an attraktive Fußwege, wie die Menschen, die hier einziehen, mobil sein werden. Bei der Gestaltung des Hauses und seiner Umgebung zählt vor allem die Lage der Parkmöglichkeiten – für Fahrräder, für Kinderwagen, für Autos. Rund ums Haus sollte idealerweise ein autofreier, aber (fuß)wegereicher Raum entstehen. Bei den genannten Projekten sind ökologische Beweggründe und der Wunsch der Hausgemeinschaft nach Unabhängigkeit vom eigenen Auto Grund für die Reduktion der Parkplätze. Professionelle Bauträger streben das aus pragmatischen Gründen an: Weniger Stellplätze reduzieren den finanziellen Aufwand erheblich. Und beim Auffüllen einer Baulücke mangelt es manchmal schlichtweg am Platz.

Jahresnetzkarte statt Parkplatz

Den Bauträgern wird es aber gar nicht leicht gemacht, die Anzahl der vorgeschriebenen Pkw-Abstellplätze zu unterschreiten. Doch es bewegt sich etwas. So wurde das Wiener Garagengesetz 2014 novelliert. Nun muss nicht mehr pro Wohnung ein Parkplatz errichtet werden, sondern pro 100 m2 Wohnnutzfläche. Das Salzburger Bautechnikgesetz soll noch heuer geändert werden, sodass künftig eine Stellplatzreduktion bei Wohnbauten leichter möglich sein wird; sofern ein schlüssiges Mobilitätskonzept vorliegt.

Damit lässt sich auch in Wien punkten: So wurde beim geplanten Wohnbau Perfektastraße, in unmittelbarer Nähe der gleichnamigen U-Bahn-Station, aufgrund des Mobilitätskonzeptes die Stellplatzverpflichtung auf 70 Prozent reduziert: Bei Erstbezug erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner eine Jahresnetzkarte der Wiener Linien, Carsharing- und -E-Bike-Angebote sowie eine umfangreiche Mobilitätsberatung.

Lichtdurchflutet und wegereich

Nicht nur Mobilitätskonzepte, sondern auch architektonische Maßnahmen können nachhaltiges Verkehrsverhalten fördern. „Natürlich belichtete Stiegenhäuser, attraktive Erschließungsflächen, Durchblicke und Weitblicke“, nennt Markus Zilker, Architekt des Wohnprojektes -Wien und der Kumpanei, als Kriterien. „Eben-erdige, liftnahe Abstellflächen für Fahrräder, Kinderwagen, Rollatoren und Einkaufstrolleys“, ergänzt Petra Jens, Wiens Beauftragte für Gehende. Selbst Kleinigkeiten wie Vordächer schaffen Komfort, wenn niemand beim Kramen nach dem Schlüssel im Regen stehen muss.

„Wichtig ist, dass Neubauten nicht zu Barrieren werden“, erläutert Jens. „Es braucht genügend direkte Wege durch Siedlungen.“ Mit jedem Fußweg als Abkürzung – beispielsweise einem Hausdurchgang – gewinnt umweltverträgliche Mobilität an Attraktivität. So wurden auf den Bombardier-Gründen in Wien Floridsdorf zwar relativ große Wohnbauten errichtet, zahlreiche Wege sorgen aber dafür, dass das Areal direkt durchquert werden kann. Derartige Verbesserungen sind auch im Nachhinein möglich: Der neue Durchgang durch den Kauerhof im 15. Wiener Bezirk schuf gleichzeitig eine Abkürzung und einen weiteren Zugang zum Sechshauser Park.

Mobilitätsvielfalt: Angebote wie GratisMitgliedschaft bei EMIL E-Mobil-Carsharing reduzieren die vorgeschriebene Parkplatzzahl beim Wohnbau. (Gaswerkgasse Salzburg)

Nahversorgung macht gehen

Auch Bauträger steuern das Mobilitätsverhalten ihrer Kundinnen und Kunden. Beim Innenstadtprojekt Gaswerkgasse in Salzburg – mit nur vier Parkplätzen für zehn Wohnungen – wurden den übrigen sechs Hausparteien individuelle Mobilitätsinformationen geboten sowie eine Öffi-Jahreskarte für drei Jahre, Gratis-Mitgliedschaft bei EMIL, dem Salzburger E-Mobil-Carsharing, sowie 40 m2 Radabstellraum samt Servicestation sowie Ladeplätzen für Elektro-Räder und verschließbaren Boxen für Helme und Regenausrüstung.

Nicht zuletzt beeinflusst die Nahversorgung die Verkehrsmittelwahl: Sind Kindergarten und Lebensmittelgeschäft von der Wohnung auf kurzen, attraktiven Wegen zu erreichen, wird auch mehr zu Fuß gegangen. Womit wir wieder bei der Wahl des Bauplatzes wären.

 

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>> Zur Autorin:
Ursula Jungmeier-Scholz ist freie Journalistin in Graz.

 


>> Natürlich belichtete Stiegenhäuser, attraktive Erschließungsflächen, Durchblicke und Weitblicke fördern Foto: nachhaltiges Verkehrsverhalten. <<

- Markus Zilker, einszueins Architektur 

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