Alles digital, alles gut?

Die Politik ist gefordert, digitale Infrastruktur nicht völlig den großen, marktwirtschaftlich organisierten, privaten Playern zu überlassen. Sie hat einen verkehrspolitischen Gestaltungsspielraum sicherzustellen, der auch regionale Mobilitätslösungen ermöglicht.

Von Bernhard Hachleitner

Zwei denkbare, sehr gegensätzliche Zukunftsszenarien: Alle Mobilitätsangebote sind auf einen Blick verfügbar, können via Smartphone gebucht werden. Deshalb nutzen künftig viel mehr Menschen Leihräder, Öffentlichen Verkehr und Carsharing – statt mit dem eigenen Auto zu fahren. Oder: Google, Uber und Co. beherrschen die Mobilitätswelt der Zukunft, die Fahrerinnen und Fahrer werden extrem schlecht bezahlt, mittelfristig durch selbstlenkende Autos sogar überflüssig. Automatisierung reduziert Kosten und verursacht dadurch zusätzliche Kilometer. „Digitalisierung ist die Basis für einen effizienten, professionellen, transparenten und kostengünstigen Betrieb“, sagt Alexander Stiasny. Mit ISTmobil im Bezirk Klosterneuburg und GUSTmobil in Graz-Umgebung betreibt seine Firma Mikro-ÖV-Systeme, die von den Nutzerinnen und Nutzern nicht nur über eine App bestellt und automatisch abgerechnet werden können, sondern auch in verschiedene digitale Auskunftssysteme integriert sind. Routen parallel zum Öffentlichen Verkehr bedient das System nicht. In Korneuburg spart ISTmobil durch Reduktion der privaten Pkw-Fahrten etwa 36 Tonnen CO2 und 135 Megawattstunden Energie pro Jahr ein, obwohl hauptsächlich Dieselfahrzeuge im Einsatz sind. „Hier gibt es weiteres Verbesserungspotenzial. Wir bieten unseren Partnern, den lokalen Taxiunternehmen, auch Unterstützung beim Umstieg auf Elektro-Autos an“, so Stiasny. Ein anderer Effekt wird erst langfristig messbar: Wenn es um die Anschaffung eines neuen (Zweit-)Autos geht, beginnen viele Menschen zu rechnen, ob das tatsächlich notwendig ist. Denn ein gut funktionierendes Mikro-ÖV-System ist ein Faktor, der diese Anschaffung überflüssig machen kann. Digitalisierung hilft dabei: Sie ermöglicht stärkere Individualisierung dieser Systeme und macht die Nutzung einfacher und komfortabler.

Gleiche Rahmenbedingungen für alle Player
Damit kleinere Unternehmen auf dem Markt bestehen können, müssen „alle die gleichen Rahmenbedingungen haben“, so Stiasny. „Mit dem normalen Taxitarif sind die Kalkulationen schon sehr knapp, wenn die arbeitsrechtlichen Standards und Bezahlung nach Kollektivvertrag eingehalten werden sollen. Uber unterbietet diesen Tarif und kassiert 30 Prozent. Das kann bei Einhaltung der genannten Standards nicht funktionieren.“ Ein anderer Punkt ist der Zugang zu den Echtzeitdaten der Verkehrsunternehmen. Deren Integration in Google Maps würde maximale Bequemlichkeit bieten. Vor allem Gäste würden den Öffentlichen Verkehr mehr nutzen, wenn dessen Daten über Google abrufbar sind.

Kommunale Verantwortung
Es stellt sich allerdings die Frage, ob das immer nach den Bedingungen von Google geschehen muss. „Wir sollten auch die digitale Infrastruktur nicht völlig in die Hand rein marktwirtschaftlich organisierter, privater Player geben, sondern einen öffentlichen Anteil erhalten“, sagt Reinhard Birke, CEO von upstream mobility. „Mobilitätsdaten haben eine starke Aussagekraft und damit auch einen hohen Marktwert. Dieser Mehrwert sollte zum Öffentlichen Verkehr oder zumindest seinen Nutzerinnen und Nutzern zurückfließen.“ Upstream – next level mobility ist ein Tochterunternehmen der Wiener Stadtwerke und der Wiener Linien und bietet Unternehmen eine Vernetzungsplattform mit Zugriff auf den gesamten urbanen Verkehr, also Information, Reservierung, Abrechnung, Tickets, Carsharing, Taxi, Bikesharing, Parken, Ladestellen etc. Über Schnittstellen erhalten Unternehmen, die Internetseiten oder Applikationen anbieten, Zugriff auf die gesamte urbane Mobilität und können damit vollumfängliche, multimodale Mobilitätslösungen in eigene Geschäftsmodelle einbinden. Darüber hinaus betreibt das Unternehmen die digitalen Mobilitätslösungen der Wiener Linien und entwickelt derzeit neben Lösungen für andere österreichische Städte auch für Hamburg ein mit Wien Mobil vergleichbares Angebot – also eine Plattform die den Öffentlichen Verkehr mit Leihrädern, Carsharing und weiteren Mobilitätsangeboten kombiniert. „Kommunale Plattformen können hier auch als Übersetzerinnen oder Aggregatorinnen, insbesondere für kleine Unternehmen, fungieren, die Mobilitätslösungen anbieten, die andernfalls nicht den Eingang zu großen Services wie Google Maps finden könnten. Dies wird vor allem zur Standortsicherung im globalen Wettbewerb ein entscheidender Faktor für die regionalen Mobilitätslösungen sein“, ergänzt Birke. In welche Richtung die Digitalisierung unser Mobilitätssystem verändert, hängt neben der öffentlichen Bereitstellung digitaler Mobilitätsinfrastrukturen ganz stark auch von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab.

»Es stellt sich die Frage, ob Datenzugang immer nach den Bedingungen von Google geschehen muss.«

Ein Schritt in die richtige Richtung ist die Regelung in Wien, dass Uber-Autos, weil sie nicht den Regeln für Taxis unterworfen sind, als Mietwagen gelten. Damit dürfen sie nicht direkt über die App vermittelte Fahrten annehmen. Zwei wahrscheinlich richtungsweisende Gerichtsverfahren sind in dieser Causa derzeit anhängig.

 

>> Zum Autor: Bernhard Hachleitner, Historiker und Journalist,
www.hachleitner.at

 

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