Abwege vermeiden, Umwege bewusst einbeziehen

Regenwälder im Tank, verparkte Städte durch geförderte E-Autos – Maßnahmen haben oft unvorhergesehene Seiteneffekte. Zugleich eröffnen sich in anderen Bereichen ungeahnte Potenziale für mehr klimaverträgliche Mobilität – beispielsweise im Wohnbau oder Tourismus.

Von Christian Höller

In den 1990er-Jahren wurde der Diesel als Klimaschutzmaßnahme politisch propagiert. Doch bereits damals waren die Gesundheitsgefahren durch Dieselpartikel bekannt. Durch technische Neuerungen am Dieselmotor wurden die Dieselpartikel immer feiner, sodass sie tief in die Lunge eindringen. Durch Effizienzsteigerung stoßen heute auch moderne Benzinmotoren nach ähnlichem Muster wie Dieselmotoren Feinstaub aus. Städte stehen zunehmend vor der Notwendigkeit, die Einfahrt für den Autoverkehr zu beschränken. Die Beimischung von Agro-Treibstoffen zu fossilen Treibstoffen wurde ab der Jahrtausendwende als Klimaschutzmaßnahme gefördert. Aufgrund ökonomischer Vorteile und der Nicht-Berücksichtigung indirekter Landnutzungsänderungen werden heute in fernen Ländern Regenwälder gerodet, um zu diesem Zweck Ölpalmen anzubauen. Fast die Hälfte des in der EU verbrauchten Palmöls fließt in die Tanks von Fahrzeugen. Erst die neuen „Erneuerbare-Energie- Ziele“ für das Jahr 2030 sehen eine Begrenzung des Palmöl-Einsatzes als Agro-Treibstoff vor.

Norwegen: E-Pkw-Förderung mit negativen Wirkungen
Norwegen ist Europas Nummer eins bei der E-Automobilität – im Jahr 2017 waren 39 Prozent der Neuzulassungen E-Pkw. Dort zeigen sich auch als erstes unerwünschte Seiteneffekte durch starke steuerliche und ordnungspolitische Förderung von E-Autos. Fuhren vor dem Kauf eines E-Pkws 23 Prozent der Befragten einer Umfrage mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, waren es danach nur mehr vier Prozent. Die starke Förderung von E-Autos erhöhte die Pkw-Anzahl insgesamt, da E-Pkw oft auch als Zweit- oder Drittauto angeschafft wurden. Der Bedarf an Parkplätzen stieg. Dass E-Autos Busspuren mitbenutzen dürfen, behindert den Öffentlichen Verkehr und wurde deshalb in Norwegen nach vorheriger Erlaubnis wieder eingeschränkt.

Selbstfahrend zu mehr Verkehrsproblemen
Die Automatisierung von Pkw gilt als ausgemacht. Sie kann die Verkehrssicherheit erhöhen, sind doch die meisten Autounfälle die Folge von menschlichem Fehlverhalten. Sie kann den Verkehrsfluss optimieren und ein neues Potenzial für die gemeinschaftliche Fahrzeugnutzung durch Sharing schaffen. Doch es ist zu befürchten, dass sie ohne regulierende Maßnahmen auch zu mehr Verkehrsproblemen führt. Autofahren wird bequemer. Da selbstfahrende Autos auch leer fahren, kann der Auto-Besetzungsgrad auf unter eins sinken. Eine Verlagerung von Wegen weg vom Öffentlichen Verkehr, Radfahren oder Gehen ist zu befürchten, ebenso eine verstärkte Zersiedelung.

Wohnbau prägt Mobilität
Auch werden in eher verkehrsfernen Bereichen zunehmend Verkehrsinnovationen gesetzt, die das Mobilitätsverhalten verändern. Die Verpflichtung, bei Neubauten Pkw-Parkplätze zu errichten, verteuert den Wohnbau und das Wohnen. Wird es ermöglicht, weniger Pkw-Parkplätze zu bauen, wenn Angebote wie Car- oder Bikesharing den Bedarf an Autobesitz verringern, reduziert das deutlich Kosten und beeinflusst positiv das Mobilitätsverhalten der dort Wohnenden. Die Tourismuswirtschaft reagiert zunehmend darauf, dass in Großstädten, etwa in Deutschland, immer mehr Haushalte kein eigenes Auto haben. Shuttledienste und Sharing-Angebote tragen dazu bei, dass der Tourismus zum Mobilitätsinnovator in ländlichen Regionen wird. Es gibt also weit mehr Akteurinnen und Akteure, die zu einer nachhaltigen Verkehrswende beitragen, als der enge Blick auf die Verkehrspolitik vermuten lässt. Das sollte gezielt genutzt werden.

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